Zur Einstimmung auf O-Stern.

Aus meinem Buch erinnerungen an Jesus…

Jahre später, als er schon lange gegangen war, schwebte
über allem noch sein Geist. Wie ein Flimmern, wie ein
Nebel, der sich über alles legte, was existierte, und ich konnte
ihn in den Blumen am Wegesrand, in den Seen und Bergen
des Libanon wiederfinden. Ich begann, meinen Weg zu
gehen, und überall, wo ich hinkam, konnte ich seine Anwesenheit
spüren. Es war, als hätte er sich wie ein schützender
Schild um die gesamte Erde gelegt.
Ich entdeckte auf meinem Weg ferne Länder, in denen wir
zu seinen Lebzeiten nie gewesen waren, und jetzt, im hohen
Alter von 86 Jahren, sitze ich hier an diesem heiligen Fluss,
in diesem heiligen Land und kann ihn spüren. Ich spüre, wie
jede Faser, jeder Stein von ihm durchdrungen ist. Ich weiß
nicht, ob er je hier war, doch ich weiß, dass er nun hier ist,
und ich bin froh, es erleben zu dürfen:
Erleben zu dürfen, wie die Sonne sich geöffnet hat, um ihren
Sohn zu gebären, wie sich die Kraft ihrer Strahlen in einem
Menschen gebündelt hat; zusehen zu dürfen, wie die Taten
eines Menschen Zeugnis ablegten über die Existenz des
Göttlichen.
Es werden Philosophen kommen, ihn zu widerlegen, sie
werden brüllen wie die Löwen und ihn missverstehen, sie
werden wie Aasgeier versuchen, die Kraft seiner Worte zu
zerfleischen und in ihr Gegenteil zu verkehren, um daraus
die Ketten für die Menschheit zu schmieden.
Er sagte einmal zu mir: »Thomas, versuche nicht, die Liebe
zu verstehen, denn die Liebe denkt nicht. Auf der Ebene des
Geistes wirst du sie nicht finden. Wer über die Liebe nachdenkt,
liebt nicht … er denkt nach.«
Schmunzelnd sprach er weiter: »Wer versucht, die Liebe mit
dem Geiste zu ergründen, der ist wie ein göttlicher Regentropfen,
der ins Meer der Liebe fällt und sich sofort in ihm
verliert. Denn so, wie du keinen Wassertropfen im Ozean
wiederfinden kannst, so kannst du keine Seele in der Liebe
wiederfinden, denn sie geht ganz in ihr auf. Das ist das, was
der Verstand nie begreifen und worüber das Herz niemals
nachdenken wird.«
So sehe ich ihn heute in allem, denn ich sah alles in ihm. Er
ist der Wind in den Zweigen, er ist der Sonnenstrahl, der
mich weckt, er ist die Spiegelung des Mondes in den Seen.
Aber vor allem ist er in den Häusern der Menschen, denn
dort leuchtete das Licht seiner Liebe.

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